Der Kandidat und die Pressekonferenz

Sebastian Kurz wollte zu seiner Haltung zum Urheberrecht Stellung nehmen, wurde aber mit ganz anderen Vorwürfen konfrontiert

Einer Richtigstellung sollte die Pressekonferenz von Sebastian Kurz eigentlich dienen. Der Nürtinger Oberbürgermeister-Kandidat hatte dazu gestern extra in sein Wahlkampfbüro in der Neckarsteige eingeladen. Doch dann kippte die Stimmung, schnell ging es nur noch um Verfehlungen, die Kurz bei früheren Arbeitgebern begangen haben soll.

Von UWE GOTTWALD und ANDREAS WARAUSCH

NÜRTINGEN. Journalisten mehrerer Zeitungen drängten sich in dem kleinen Büro im Stehen, während Sebastian Kurz am Tisch sitzend seine Erklärung abgab. Sie alle und noch viele mehr hatte der 25-Jährige eingeladen. Er habe sich in keinem der von der Nürtinger Zeitung genannten Fälle einer Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht, sagte Kurz. Das ergebe auch ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten, wie ihm mündlich bestätigt worden sei. Eine schriftliche Version des Gutachtens legte er nicht vor. Auch einen Autor für das Gutachten nannte er nicht. Dafür ging er bei der Pressekonferenz, der auch sein Vater Bernhard Kurz beiwohnte, auf zwei der zehn Beispiele ein, die in der Nürtinger Zeitung im Artikel „Der OB-Kandidat und das Urheberrecht“ genannt wurden und in denen die Duplizität des Wortlauts eindeutig ist. Im Falle der Rede von Ernst Messerschmid habe er das Einverständnis des Wissenschaftlers und Astronauten gehabt, Textpassagen zu verwenden. Im Falle der Formulierung, die der als Bürgermeister von Weißenstadt gewählte Frank Dreyer in seinem Wahlkampf vor vier Jahren verwendet hat, handle es sich um einen Alltagssatz, der folglich nicht urheberrechtlich geschützt sei, meint Kurz. Für eine Textpassage wie „...eine lebens- und liebenswerte Stadt...“ finde man im Internet 22.000 Einträge, so Kurz um eine Relativierung bemüht. Was er nicht sagte: Der Satz wird fortgesetzt und lautet „... eine lebens- und liebenswerte Stadt, die seinen Einwohnern eine hohe Lebensqualität bietet.“ Gibt man den ganzen Satz von Kurz’ Homepage samt des grammatikalischen Fehlers („seinen“ statt „ihren“ Einwohnern) in Anführungszeichen ein, spuckt die Suchmaschine nur noch kaum eine Handvoll Einträge aus, die eben auf Aussagen von Kurz – und eine von Dreyer fast vor vier Jahren getätigte Aussage hinweisen. Auf die Frage während der Pressekonferenz, ob er die Entrüstung der Frauenrechtlerin und Autorin Seyran Ates nicht ernst nehme, die sich über die nicht autorisierte Übernahme von ganzen Textpassagen aus ihrem Buch „Der Multikulti-Irrtum“ bestürzt gezeigt habe, räumte er ein, dass er die Sache „nicht gelassen“ sehe. Ates hatte bereits vorgestern eine rechtliche Prüfung des Sachverhalts durch ihren Verlag angekündigt.So richtig brisant wurde es dann jedoch nach der Frage eines freien, im Auftrag einer anderen Zeitung arbeitenden Journalisten nach häufigeren Arbeitgeberwechseln des Rettungsassistenten Kurz. Sowohl beim DRK als auch beim Malteser Hilfsdienst sei er nach relativ kurzer Zeit wieder ausgeschieden. Nach Kurz’ ausweichender Antwort legte der Frager nach, es sei von Diebstahlsdelikten die Rede gewesen. Kurz’ Antwort: „Es gab kein Verfahren.“ Er sei 2005 aus freien Stücken beim DRK ausgeschieden. Er räumte auf Nachfrage aber ein, dass er mit der Tankkarte des DRK sein Privatfahrzeug betankt habe. Er habe den Schaden aber wiedergutgemacht und den Betrag überwiesen. Es habe kein Ermittlungsverfahren gegeben, unterstrich er wiederholt. Der Journalist sprach ihn daraufhin auf Aktivitäten des Amtsgerichts Nürtingen im Juni 2007 im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung beim Malteser Hilfsdienst an. Da sei es dasselbe gewesen. Auch da habe es sich um einen „Vertrauensverlust“ gehandelt. Nach Informationen des fragenden Journalisten sei ein Verfahren aber erst nach Schadensausgleich eingestellt worden. Von einem Ermittlungsverfahren sei er nicht informiert worden, so Kurz. Des Weiteren erklärte der Kandidat, er habe für alle seine Fehler geradegestanden, niemandem sei so ein Schaden entstanden.

Weitere Themen kamen nach diesen Ausflügen in die Vergangenheit des OB-Kandidaten dann nicht mehr auf – und die Pressekonferenz war denn auch schnell zu Ende.