Drei Kandidaten im zweiten Wahlgang

Musicalproduzent Bernhard Kurz mischt sich in den Wahlkampf seines Sohnes ein und versucht, Druck auszuüben

Gestern Abend lief die Bewerbungsfrist für den zweiten Wahlgang ab. Am 23. Oktober stehen die Namen der OB-Kandidaten Otmar Heirich, Sebastian Kurz und Andreas Deuschle auf dem Stimmzettel. Große Unterstützung erfährt der 25-jährige Kurz durch seinen Vater, der sich massiv einmischt und auch gegenüber unserer Zeitung versucht hat, Druck auszuüben.


VON ANNELIESE LIEB

NÜRTINGEN. Ein Oberbürgermeister-Wahlkampf, der relativ ruhig und sachlich begonnen hat, nimmt inzwischen eine fast unglaubliche Entwicklung.
Nach Petra Geier-Baumann und Raimund Bihn hat gestern auch Friedrich Buck, der bislang von der Nürtinger Liste/Grüne unterstützte Kandidat, seine Bewerbung zurückgezogen.
In einer Pressemitteilung hat der Weilheimer Diplom-Ingenieur bekannt gegeben, dass er im zweiten Wahlgang nicht mehr antreten werde. Alles, was er für Nürtingen tun könne, sei eine Wahlempfehlung für Bürgermeisterin Claudia Grau. Frau Grau habe erklärt, dass sie nicht gegen ihren Chef antrete. „Das kann sie meines Erachtens auch nicht, weil sie damit rechnen muss, gegen ihren Chef zu verlieren.“ Wenn aber alle, die weder Sebastian Kurz noch Amtsinhaber Otmar Heirich wählen wollten, von der in der Kommunalverfassung zugelassenen Möglichkeit Gebrauch machen, einen anderen Namen auf den Wahlzettel zu schreiben und sich auf die verwaltungserfahrene Bürgermeisterin Claudia Grau einigen würden, dann könnte sie Sebastian Kurz überflügeln, sagt Friedrich Buck.

Bürgermeisterin Claudia Grau nahm in der Sitzung Stellung

Die Nürtinger Bürgermeisterin wollte zu dieser jüngsten Wahlempfehlung gestern keine Stellungnahme abgeben und verwies auf ein Statement, das sie am Dienstagabend in der Gemeinderatssitzung abgegeben hat. Grau bezog sich hier auf eine E-Mail-Kampagne, die dazu geführt hatte, dass 709 Wählerinnen und Wähler den Namen von Claudia Grau auf den Stimmzettel geschrieben hatten. „Ich wusste von der E-Mail-Kampagne lange Zeit nichts“, sagte die Bürgermeisterin vor dem Gemeinderat. Bekannt geworden sei ihr dies erst, als sie von Oberbürgermeister Heirich und einzelnen Gemeinderäten darauf hingewiesen worden sei. Richtig sei, dass sie im Vorfeld von vielen Bürgern angesprochen worden sei, die ihr gesagt hätten, sie würden sie wählen. Sie habe dann OB Heirich vor der Wahl über diesen Umstand informiert. „Es war ihm wie mir bekannt, dass ich wohl einige Stimmen auf mich ziehen werde.“ Auf die Frage von Bürgern, ob man auch eine andere Person wählen könne, habe sie immer wahrheitsgemäß geantwortet: „Ja, sofern sie die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllt.“ Da sie bereits vor den Sommerferien auf eine mögliche Kandidatur als Oberbürgermeisterin von verschiedenen Personen angesprochen worden sei, habe sie bereits zu diesem Zeitpunkt OB Heirich informiert, dass sie nicht gegen ihn antreten werde. Sie habe ihm aber auch mitgeteilt, dass sie für eine Kandidatur bereitstehe, wenn er bei einem eventuellen zweiten Wahlgang nicht mehr dabei sein werde. „Ich fühle mich der Stadt Nürtingen verpflichtet, bei einem Rückzug von Oberbürgermeister Heirich meine Fachkompetenz auch als mögliche Oberbürgermeisterin zur Verfügung zu stellen.“ Das habe sie auch gegenüber Fraktionsvorsitzenden und Gemeinderäten so geäußert.

Bernhard Kurz droht Friedrich Buck mit einstweiliger Verfügung

Friedrich Buck gibt in seiner Begründung für seinen Rückzug – „mit einem Stimmenanteil von circa zehn Prozent wende ich keine Energie für einen zweiten Wahlgang auf“ – aber nicht nur die Wahlempfehlung für Grau, er äußert sich auch über Mitbewerber. Nicht einmal 17 Prozent der Wahlberechtigten würden sich wünschen, dass Amtsinhaber Otmar Heirich die Geschicke der Stadt weiter lenke. „Ein Viertel der Wähler glaubt gar, dass ein 25-jähriger Rettungsassistent mit reichem Elternhaus und dementsprechender Propaganda es besser machen würde.“ Und diesen Satz hat Friedrich Buck zwei Stunden später, nachdem er die Pressemitteilung auch auf seine Homepage gestellt hatte, widerrufen. In einer weiteren Information ließ er die Presse wissen, dass er einen Anruf von Bernhard Kurz, dem Vater des Kandidaten Sebastian Kurz, erhalten habe. Bernhard Kurz habe ihn aufgefordert, die Worte „mit reichem Elternhaus“ zu streichen „und drohte, mir morgen eine einstweilige Verfügung zu senden, falls ich es nicht tue“. Es stimme nicht, dass er und seine Ex-Frau reich seien, habe Kurz gesagt. „Da ich die finanzielle Situation der Familie Kurz nicht prüfen kann und einen Rechtsstreit vermeiden will, habe ich diese Formulierung geändert. Ich bitte die in der geänderten Pressemitteilung gewählte Formulierung zu beachten“, schrieb Buck der Presse. Bucks neue Formulierung lautet: „Ein Viertel der Wähler glaubt gar, dass ein 25-jähriger Rettungsassistent mit finanzkräftig unterstützter Propaganda es besser machen würde.“
Buck ist nicht der Einzige, der Anrufe aus Berlin – dort lebt Musical- und Showproduzent Kurz – erhielt. Auch an unsere Zeitung hat sich Bernhard Kurz am Dienstag gewandt und Redaktionsleiterin Anneliese Lieb aufgefordert, Redakteur Jürgen Gerrmann zurückzupfeifen. Er möge seine Recherchen über Sebastian Kurz einstellen, sonst werde er, Bernhard Kurz, Privates über Herrn Gerrmann ausplaudern.
Am Montag erhielt Stadtrat Hermann Quast von der Fraktion Liberale Bürger/FDP eine E-Mail von Bernhard Kurz. Quast hatte sich am Sonntag zum Wahlausgang geäußert und unter anderem gesagt: Auf jeden Fall aber müsse sich der Gemeinderat für Kompetenz in diesem Amt starkmachen. Und er scheue sich auch nicht davor, dies auszusprechen: „Alle fünf anderen waren und sind nicht tauglich, OB zu werden.“ Diese Äußerung des FDP-Fraktionsvorsitzenden hat dem Vater von Sebastian Kurz wohl nicht gefallen. Er schrieb in einer E-Mail an Hermann Quast, dass diese Äußerungen in der Zeitung „respektlos, anmaßend und für dich disqualifizierend sind“. Bernhard Kurz schreibt unter anderem an Quast: „Was befähigt dich, im Gemeinderat die FDP zu vertreten und dabei die SPD zu unterstützen? Oder ist es wichtiger, die Aufträge der Stadt zu bekommen?“ Er halte Quasts Äußerungen für „eine schwäbische Unverschämtheit“. Ob Quast nun auch noch „eine Quereinsteigerin und Opportunistin, die zu feige war, sich gegen Oberbürgermeister Heirich zu beweisen“, unterstützen wolle, schreibt Bernhard Kurz.

Zum Urheberrecht kündigt Sebastian Kurz Pressekonferenz an

Geäußert hat sich OB-Kandidat Sebastian Kurz gestern auf seiner Homepage zu unserem Artikel „Der OB-Kandidat und das Urheberrecht“. Er stellt dazu fest, dass er „keinen Verstoß gegen das Urheberrecht begangen“ habe. Kurz will dazu auf einer Pressekonferenz am Freitag Stellung beziehen. Was Presseanwalt Braun dazu sagt. steht in nebenstehendem Interview.

Kandidat Andreas Deuschle liegt die Stadt am Herzen

Der dritte Kandidat, Andreas Deuschle, 43 Jahre alt, bleibt im Rennen. Er habe viel Zustimmung bekommen und mache deshalb weiter, sagte Deuschle. Ihm liege viel daran, Nürtingen sportlich und kulturell voranzubringen. Außerdem, so Deuschle, wolle er in Nürtingen etwas bewegen. Auch lägen ihm die Themen Großer Forst, das Wörth-Areal und die Biogasanlage am Herzen. Diese und weitere kommunalpolitische Brennpunkte will der OB-Kandidat zusammen mit den Nürtingern anpacken. Deuschle will die Stadt zusammen mit den Bürgern gestalten. Er wolle dazu beitragen, dass Nürtingen wieder aus den negativen Schlagzeilen rauskomme.