Freude und Enttäuschung

Die Mehrzahl der Oberbürgermeisterkandidaten ließ gestern Abend offen, ob sie im zweiten Wahlgang noch mal antreten

VON ANNELIESE LIEB UND BARBARA GOSSON

Viele Nürtinger Bürger waren schon im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl davon ausgegangen, dass die Entscheidung nicht im ersten Wahlgang fallen würde. Auch Oberbürgermeister Heirich ist bei fünf Gegenkandidaten von einem zweiten Wahlgang ausgegangen, wie er gestern Abend sagte.

NÜRTINGEN. „Ich freue mich, dass ich deutlich vorne liege. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass im ersten Wahlgang eine Entscheidung fällt“, sagte Otmar Heirich. Die 40 Prozent sieht Heirich als gute Ausgangsbasis für den zweiten Wahlgang. Er bedankte sich bei seinen Wählerinnen und Wählern und hofft im zweiten Wahlgang auf dieselbe Unterstützung, damit er dann als Sieger aus dem Rennen hervorgehen kann. Dank sagte er auch seinen Wahlhelfern. Konkret nachgefragt, ob er noch mal antritt oder ob für ihn die Schmerzgrenze erreicht sei, sagte er dann wenige Minuten später, dass er sich mit seiner Familie und Freunden beraten werde.
Die zahlreichen sonstigen Stimmen und darunter den erheblichen Anteil für Bürgermeisterin Claudia Grau wertet er als Zeichen, dass die Nürtinger gesehen hätten, dass die Zusammenarbeit zwischen OB und Bürgermeisterin hervorragend sei. Daraus hätten manche wohl den Schluss gezogen, dass auch Frau Grau Oberbürgermeisterin werden könnte.
Der junge Sebastian Kurz, der in den zurückliegenden Wochen einen sehr intensiven Wahlkampf geführt und sich dabei auch finanziell stark engagiert hatte, trat am Wahlabend sehr selbstbewusst auf. Umgeben von Freunden und seinem Vater, Musicalproduzent Bernhard Kurz, verfolgte der staatlich anerkannte Rettungsassistent die Ergebnisse aus den einzelnen Wahllokalen. 25,46 Prozent der Wahlberechtigten hatten Kurz gewählt. „Ein respektables Ergebnis, ich werde in den nächsten zwei Wochen dafür kämpfen, dass ich dieses Ergebnis ausbauen kann.“ Das Wahlergebnis insgesamt zeige, so Kurz, „dass 60 Prozent der Nürtinger einen neuen Oberbürgermeister wollen.“ Mit seinem Wahlkampfteam möchte er heute entscheiden, welche Strategie er in den nächsten zwei Wochen verfolgen werde.
Personaltrainer und Eventmanager Andreas Deuschle ist mit seinen 5,68 Prozent zufrieden. „Ich habe mit einer Zahl zwischen fünf und zehn Prozent gerechnet.“ Insofern sei er nicht enttäuscht, „ich sehe die Sache sportlich“. Er habe im Wahlkampf positive Erfahrungen gemacht. Ob er in der zweiten Runde nochmals antreten wird, darauf wollte sich Deuschle gestern Abend nicht festlegen. Mit der Kandidatur habe er absolutes Neuland betreten und die Entscheidung nicht bereut, sagte der 43-Jährige, dem viel daran gelegen war, einen fairen Wahlkampf zu führen.
Der Drittplatzierte der Wahl ist Friedrich Buck. 10,13 Prozent der Wähler machten ihr Kreuz hinter dem Namen des Diplom-Ingenieurs aus Weilheim. Er ist vom Wahlergebnis sehr enttäuscht. „Aber in Nürtingen wurde auch Matthias Berg nicht zum Bürgermeister gewählt, ich bin also in guter Gesellschaft.“ Er habe nicht früher in den Wahlkampf einsteigen können. „Ich habe getan, was ich konnte.“ Auf die Frage, ob er nicht Wähler abgeschreckt habe, indem er stets von einem wenig konkreten Gesamtkonzept gesprochen habe, antwortet der Drittplatzierte: „Ich bin konkreter geworden. Es ist aber auch die Aufgabe der Wähler, nachzufragen.“ Von den Nürtinger Grünen fühlte er sich in seinem Wahlkampf gut unterstützt. Über einen Rückzug vor dem zweiten Wahlgang hat er noch keine endgültige Entscheidung getroffen.
Die hat Petra Geier-Baumann bereits getroffen. Die Vermessungstechnikerin erreichte 7,04 Prozent und tritt im zweiten Wahlgang nicht mehr an. Für sich persönlich findet sie ihr Wahlergebnis in Ordnung, allerdings hätte sie mehr Stimmen von Frauen erwartet: „Es sind schließlich mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten Frauen.“ Fehler in ihrem Wahlkampf sieht sie keine, er sei eben dadurch, dass sie ihn alleine gestemmt habe und er nicht fremdfinanziert wurde, etwas bescheidener ausgefallen. Als Einzige hat sie auf Plakate verzichtet, sie habe keine gewollt. „Man kann auch das Internet und seine Persönlichkeit nutzen, um für seine Ziele zu werben.“ Politisch werde man auf jeden Fall noch von ihr hören.
Verlierer der Wahl ist Raimund Bihn. Nur 2,59 Prozent der Wähler wollten den zertifizierten Automobilverkäufer als OB sehen. „Ich bin maßlos enttäuscht“, sagte Bihn in einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis. Er habe einfach zu wenige Wähler erreicht, obwohl er sich in den Vorstellungsrunden gut geschlagen habe. Enttäuscht ist Bihn auch über die geringe Wahlbeteiligung, er hätte sich gewünscht, dass mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. Fehler in seinem Wahlkampf sieht er keine, er habe sich stets authentisch gegeben und vielleicht nicht immer das gesagt, was die Wähler hören wollten. „Ich habe mein Programm so dargestellt, wie ich es auch umsetzen wollte.“ Ob er im zweiten Wahlgang noch einmal antritt, vermochte Bihn am Wahlabend noch nicht zu sagen: „Da muss ich nochmals drüber schlafen.“