Auf einen Dienstwagen würde er verzichten

Die Oberbürgermeisterkandidaten im Gespräch: Zum Auftakt heute Sebastian Kurz aus Reudern

Redaktionsgespräch mit Oberbürgermeister-Kandidat Sebastian Kurz. Foto: Holzwarth

VON ANNELIESE LIEB

Er hat als erster der Gegenkandidaten seine Bewerbung abgegeben: Sebastian Kurz, wohnhaft in Reudern, 25 Jahre alt und ausgebildeter Rettungssanitäter in Diensten der Daimler AG. Schon seit letztem Jahr hatte er die OB-Wahl fest im Visier. „Ich sehe mich als Alternative für die Wähler meiner Generation“ sagt der in der Kommunalpolitik bislang unerfahrene junge Mann.

NÜRTINGEN. Im Vorfeld der Landtagswahl hat Sebastian Kurz als Befürworter von Stuttgart 21 auf sich aufmerksam gemacht. Er hat Veranstaltungen mit prominenten Befürwortern in der Kreuzkirche organisiert. Seit Juni steckt er seine ganze Energie in die Oberbürgermeisterwahl. Er hat als Erster Flyer verteilt, ist von Haustür zu Haustür gegangen, hat in der Stadt verschiedene Plakate mit seinem Konterfei aufgehängt und vor zwei Wochen zusätzlich ein Bürgerbüro in der Neckarsteige eröffnet. Sebastian Kurz investiert viel in diesen OB-Wahlkampf. 20 000 Euro, sagt er, lasse er sich den Wahlkampf kosten. Der Reuderner, Sohn von Show- und Musicalproduzent Bernhard Kurz, stemmt den Wahlkampf ohne Unterstützung, wie er immer wieder betont. Er ist zwar CDU-Mitglied, aber Geld aus der Parteikasse bekomme er nicht. „Mein Handeln soll sich am Wohl des Bürgers orientieren.“ Parteipolitik, bekräftigt er, sollte innerhalb von Gemeinderat und Verwaltung in den Hintergrund treten.

Sehr wichtig ist ihm als OB-Kandidat die Innenstadtentwicklung. „Nürtingen verliert im Wettstreit mit anderen Kommunen, das darf nicht sein.“ Die Innenstadtentwicklung, so Kurz im Redaktionsgespräch, sei freilich nur ein Punkt auf seiner Liste. Schon Anfang des Jahres habe er sich Gedanken gemacht und Gespräche geführt, um sein Zehn-Punkte-Programm für den Wahlkampf zusammenzustellen. „Wenn Nürtingen auch in Zukunft einen hohen Lebensstandard bieten will, muss sich die Stadt weiterentwickeln.“

Als Oberbürgermeister – sollten die Nürtinger ihn wählen – möchte er einen Mentalitätswechsel innerhalb der Verwaltung herbeiführen. „Der Bürger ist Kunde und muss auch so behandelt werden.“ Bürgerbeteiligung heißt für Kurz, die Bevölkerung mehr in die Entscheidungen einzubinden. „Die Kommunikation ist dabei das Wichtigste.“ Zweimal im Jahr möchte er zu Bürgerversammlungen einladen und über aktuelle Projekte informieren. „Der Oberbürgermeister muss die Bürger, die Stadtverwaltung und den Gemeinderat wieder zusammenführen.“

Fußgängerzone auf Altstadt und Neckarsteige ausdehnen

Innenstadtbelebung heißt für Kurz die Fußgängerzone ausdehnen und beleben. Nicht nur die Neckarsteige und Altstadt sollen verkehrsfrei werden, auch der Schillerplatz darf nach Kurz’ Vorstellungen nicht mehr überfahren werden. Selbst die Busse sollen anders geführt werden. Ein großes Defizit sieht Kurz im Bereich Gastronomie. Früher habe es in Nürtingen zwei Discos für junge Leute gegeben. Heute suche man vergeblich nach Erlebnisgastronomie. Im fehlenden Angebot für junge Menschen könnte nach seiner Auffassung auch eine Zunahme von Vandalismus begründet sein. Notwendig sei hier eine gezielte Zusammenarbeit mit der Polizei zur Vorbeugung und Vermeidung von Kriminalität. Außerdem plädiert er für ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen.

Nürtingen soll noch kinderfreundlicher werden. Darunter versteht der 25-jährige ledige OB-Kandidat ausreichend Betreuungsplätze für unter Dreijährige. „Wir müssen die Betreuungszeiten flexibler gestalten und ausdehnen.“ Außerdem möchte Kurz einen Spielplatzentwicklungsplan in enger Abstimmung mit Eltern erstellen. „Dann kann man sicher sein, dass die Spielplätze auch angenommen werden.“ Der 25-Jährige hat aber nicht nur die jungen Menschen im Blick, als CDU-Mitglied weiß er auch um die Bedürfnisse der älteren Generation. Er hat in Erfahrung gebracht, dass es jetzt schon über 1000 Achtzigjährige in der Stadt gibt und die Zahl der 90-Jährigen werde sich in den nächsten Jahren verdreifachen. Mehrgenerationenhäuser und mehr zentrumsnahe Pflegeheime, damit die Senioren am Leben in der Stadt teilhaben können, sollten seiner Auffassung nach gebaut werden.

Auch für die Vereine will sich Kurz einsetzen, die Kommunikation mit der Stadt und der Vereine untereinander verbessern. In diesem Zusammenhang spricht er auch das Thema Migration an, das vertieft werden soll.

„Nürtingen muss wieder schuldenfrei werden.“ Kurz will deshalb neue Projekte auf ihre Sinnhaftigkeit und ihren Nutzen überprüfen. Außerdem dürfe man nicht nur Steuern und Gebühren erhöhen, um den Haushalt zu konsolidieren, auch bei der Stadtverwaltung müsse der Rotstift angesetzt werden. Er sieht Einsparmöglichkeiten beim Stabsteam und bei den Dienstwagen. „Der Oberbürgermeister braucht kein eigenes Fahrzeug.“ Kurz plädiert für einen Fahrzeug-Pool oder eine Fahrtkostenpauschale, wenn die Führungsspitze im Rathaus mit dem privaten Pkw unterwegs ist. Nürtingen, die Stadt zum Leben und Wohnen heißt für Kurz, neue Sanierungsgebiete auszuweisen, die Ortsteile weiterzuentwickeln, das Neckarufer zu beleben, die Zweitwohnungssteuer, die auf Antrag der CDU eingeführt wurde, wieder abzuschaffen und das Radwegenetz auszubauen.

Verbessern will Kurz auch das Verkehrskonzept. In Reudern und Neckarhausen plädiert er für Tempo 30 auf der Ortsdurchfahrt und für ein Lkw-Fahrverbot. Auch der Verkehr auf dem Altstadtring müsse flüssiger werden. Kurz denkt hier an die Abschaffung von Ampelkreuzungen und die Schaffung von Kreisverkehren. Auch den Busbahnhof würde er gerne verlegen und dort ein Gebäude mit Geschäften zur Stärkung der Innenstadt erstellen. „Nürtingen muss wieder zum Anziehungspunkt für Kunden aus der Umgebung werden.“ Kommunale Wirtschaftspolitik heißt für Kurz, in der Bachhalde auf den noch vorhandenen freien Plätzen Unternehmen aus dem Bereich Forschung, Entwicklung und regenerative Energie anzusiedeln. Nicht verzichten könne man indes auf den Großen Forst. Den möchte Kurz zusammen mit den Bürgern entwickeln. Außerdem befürwortet er den Bau der Biogasanlage im Großbettlinger Gatter.