Charme-Offensive für die Roßdorfer

Oberbürgermeister-Kandidaten stellten sich im Roßdorf den Fragen von Bürgervereinigung und Bürgern

VON BARBARA GOSSON

NÜRTINGEN. Über 100 Roßdorfer waren ins Gemeinschaftshaus gekommen, um sich ein eigenes Bild von den sechs Kandidaten, Amtsinhaber Otmar Heirich (60), Rettungsassistent Sebastian Kurz (25), Autoverkäufer Raimund Bihn (39), Vermessungstechnikerin Petra Geier-Baumann (46), Bauingenieur Friedrich Buck (48) und Fitnesstrainer und Eventmanager Andreas Deuschle (43) zu machen. Sie wurden von Thomas Mitsch, dem Vorsitzenden der Bürgervereinigung begrüßt. Moderiert wurde die Debatte von der Tübinger Journalistin Renate Angstmann-Koch.

Speziell Roßdorfer Themen standen auf der Tagesordnung. Das erste war die Zukunft des mit PCB belasteten Gemeinschaftshauses. Petra Geier-Baumann kennt das Gemeinschaftshaus als Nutzerin der Bücherei und war entsetzt, als sie von der Belastung hörte. „Wir müssen neue Wege gehen. Das Roßdorf braucht solche Plätze“, betonte sie. Andreas Deuschle möchte das Gemeinschaftshaus ebenfalls erhalten und sogar noch aufstocken.

„Das Gemeinschaftshaus ist wichtig, ich kann jedoch noch keine Lösung bieten, da ich nicht alle Probleme kenne. Ich hoffe aber, dass Sie mir vertrauen als einem, der Probleme lösen kann“, sagte Friedrich Buck. Für Raimund Bihn ist das Gemeinschaftshaus so etwas wie ein Rathaus und der Dreh- und Angelpunkt des großen Stadtteils. Er möchte herausfinden, ob eine Sanierung oder ein Neubau günstiger wäre. Sebastian Kurz’ Idee ist es, das Gemeinschaftshaus zu einem Bürgerzentrum weiterzuentwickeln. Es soll Anlaufstelle für alle sein und Raum für Vereinsarbeit, Kindererziehung, Sprachhilfe und Gymnastik bieten.

Otmar Heirich wies auf einen Workshop am heutigen Samstag um 15 Uhr hin, wo die Roßdorfer ihre Ideen zur Zukunft des Gemeinschaftshauses einbringen können. „Sollen wir das Haus sanieren und in seiner Funktion belassen – oder können wir mehr und andere Dinge machen?“

Die nächste Frage bezog sich darauf, dass das Roßdorf als größter Nürtinger Stadtteil keinen eigenen Ortsvorsteher hat. Die Kandidaten sollten sagen, wie eine Vertretung des Stadtteils institutionalisiert werden könnte. Diesmal durfte Heirich als erster antworten. Er erläuterte, dass die ehemals selbstständigen Gemeinden einen Ortsvorsteher als Teil des Eingemeindungsvertrages bekommen haben. Gewachsene Stadtteile wie Braike, Roßdorf oder Enzenhardt haben keine Vertretung. Als Sonderfall gibt es in Oberensingen den Bürgerausschuss, in dem die Vereine, ortsansässige Stadträte und weitere Bürger vertreten sind. Ein solches Modell kann sich Heirich auch für das Roßdorf vorstellen, es sei rechtlich auch einfacher umzusetzen als ein richtiger Ortschaftsrat.

Auch Kurz und Bihn finden dieses Modell attraktiv. Geier-Baumann möchte mit den Einrichtungen in die Stadtteile gehen, um sie besser zu versorgen. Buck ist für einen demokratisch legitimierten Stadtteilrat, in dem jeder die gleiche Stimme hat. Deuschle möchte auch einen Bürgerausschuss und zusätzlich eine 20-Prozent-Stelle für einen Ortsvorsteher.

Die dritte Frage sollte zutage fördern, welche Ideen die Kandidaten haben, um die Infrastruktur des Roßdorfs zu stärken. Deuschle möchte dazu einen Workshop anbieten. Wichtig findet er, eine Pflegestation für die älteren Roßdorfer einzurichten.

Buck verwies darauf, dass er gerne eine Gesamtkonzeption für die ganze Stadt entwerfen möchte und Geier-Baumann setzt auf mobile Stadtteilarbeit, um die Stadtteile zu beleben. Heirich hofft auf den Workshop und möchte das Gemeinschaftshaus weiterentwickeln. Es soll Betreuung für Kinder unter drei Jahren kommen. Kurz verwies nochmals auf sein Konzept für das Gemeinschaftshaus und Bihn möchte, dass sich die Roßdorfer vom Arzt bis zu Grundnahrungsmitteln selbst versorgen können.

„Wenn Sie einen Schlagabtausch sehen wollen,
sollten Sie sich einen Boxkampf ansehen“

Sebastian Kurz

Nach dem offiziellen Fragenteil der BVR hatten die Besucher die Gelegenheit, einem oder allen Kandidaten Fragen zu stellen. Dabei wurde der Flächenverbrauch im allgemeinen und speziell die Biogasanlage angesprochen. Deuschle ist strikt dagegen, Buck möchte prüfen und Geier-Baumann findet die Biogasanlage zu groß. Anstatt die Eingangssituation so unattraktiv zu gestalten, solle Nürtingen lieber auf den Tourismus setzen, um Einnahmen zu bekommen. Bihn vermutet, das Thema habe sich ohnehin erledigt. Kurz befürwortet die Biogasanlage und kritisiert, dass jeder erneuerbare Energien wolle, nur nicht vor der Haustür. Heirich verteidigte die Wörth-Bebauung: „Eine Gewerbebrache wird ein Wohngebiet. Ökologischer geht es gar nicht.“ Heirich befürwortet Biogasanlage und Gewerbe auf dem Großen Forst, um Einnahmen zu generieren. Weitere Themen waren kaputte Gehwege, in Wohngebieten parkende Lkw, Raser, Integration und die schlechte Busverbindung.

Stadtrat Peter Rauscher, selbst ein Roßdorfer, war die Debatte viel zu brav. „Wir verhalten uns so, als ob wir uns alle lieb hätten. Warum soll ich einen anderen wählen, wenn doch alles so gut ist?“ Sebastian Kurz entgegnete Rauscher: „Wenn Sie einen Schlagabtausch sehen wollen, sollten Sie sich in der Schleyerhalle einen Boxkampf ansehen.“ Er wolle einen inhaltlichen Wahlkampf führen und daran gemessen werden. Eine Auffassung, die wohl auch die anderen Kandidaten auf dem Podium teilen.